Smackbound

20/20

Finnland ist ein wunderschönes Land, das irgendwas Spezielles im Trinkwasser haben muss, denn die höchst kreative Musikszene bietet in diversen Stilen extrem viel. Die Abteilung Rock & Metal kann mich seit Jahrzehnten mitreißen und es tauchen immer wieder frische heiße Kombos auf, wie aktuell  Smackbound.  Diese neue Band aus dem hohen Norden hat mich mit ihrem Debüt komplett eingefangen. Es trägt den Titel  20/20,  ist im CD-Format erhältlich und kam am 12.06.2020 via Frontiers Music S.r.l. auf den Markt. Die zehn Tracks wurden in den Sonic Pump Studios aufgenommen, als Produzent war Tuomas Yli-Jaskari im Einsatz, den Mix übernahm Jesse Vainio und um das Mastering kümmerte sich Svante Forsbäck/Chartmakers.


Das Quintett besteht aus Sängerin Netta Laurenne, Gitarrist Teemu Mäntysaari, Bassist Tuomas Yli-Jaskari, Keyboarder Vili Itäpelto und Drummer Rolf Pilve. Die Herren kennt man von anderen Finnen-Bands wie  Stratovarius,   The Dark Element,   Tracedawn  und  Wintersun.  Netta Laurenne ist eine klassisch ausgebildete Sängerin, studierte auch Pop, Jazz und Folk Gesang und war bereits als Gast auf einigen Alben zu hören, unter anderem bei  Amorphis,  Lordi,  Black Sun  und  Elvenking.


2015 schlug Netta ein neues Kapitel auf, gründete  Smackbound,  aber auch die Coverband  Run For Cover,  beide mit identischem Line-Up. Mit  Run For Cover  rockten sie schon mal los und spielten sich aufeinander ein, parallel knieten sie sich ins Songwriting für  Smackbound.  Ein durchdachter, sinnvoller Plan, der nun Früchte trägt. Ihre Musik wird in die Schublade Melodic Metal einsortiert, was nur zum Teil korrekt ist. Ihre Songs bieten mehr, es finden auch andere Musikstile ihren Platz, werden mit dem Metal verknüpft - ein interessanter, hörenswerter Mix und vor allem ein großartiger Sound.


Als Appetithäppchen wurden vorab Singles und Clips bei YouTube kredenzt. In den bewegten Bildern kann Netta Laurenne ein weiteres Talent ausleben, denn sie ist auch Schauspielerin. Meine Premiere mit  Smackbound  war das Video zu  Drive It Like You Stole It.  Der Song startet mit gesprochenem Text und dann gibt Netta Vollgas. Eine animalisch-wilde, raue Rockröhre, die auch kurz eine sanftere Seite präsentiert - ein absolutes Wow-Erlebnis, was für eine Stimme! Musikalisch geht es munter zur Sache, ordentlicher Härtegrad, Bass und Drums hauen einen geilen Rhythmus raus, der sich gnadenlos im Gehörgang einnistet und die Gräten in Bewegung setzt, ein feuriges Gitarrensolo, passend eingesetzte Keyboardklänge, denen ich gerne lausche – holla, genau mein Ding! Das Video trifft ebenfalls meinen Geschmack, die Band in Action, witzig, unterhaltsam, kein störendes Drumherum – top!


Suche benutzt, bei  The Game  gelandet. Der Clip ist sehr schlicht, in schwarz-weiß gehalten, bringt aber trotzdem verdammt viel rüber und ein Foto daraus wurde als CD-Cover ausgewählt. Die balladeske Nummer ist Gänsehaut pur! Klavier, Keyboard, Orchestersound, sanfter Einsatz von Bass und Drums, dezente Gitarre, leiser Backgroundchor, Netta Laurenne sorgt mit ihrem emotionalen Gesang für feuchte Augen – puh, geht tief unter die Haut. Der Track endet mit einem längeren rein instrumentalen Teil und dem Ticken einer Uhr...


Zwei total unterschiedliche Songs, die auf ihre jeweils eigene Art hoch punkteten. Das tat auch das Power-Paket  Wall Of Silence,  mit flottem Tempo, starken Drums, einem pfiffigen Keyboardsolo, das von einem tollem Gitarrensolo abgelöst wird, einigen Runden High Speed, stimmlich ein Mix zwischen Tigerin und Samtpfötchen. Das Video wurde wohl in einer Fabrikhalle oder Ähnlichem gedreht, riesige Wasserpfütze, mittendrin alle  Smackbounds  im feinen Zwirn und ab geht die Luzie.


Run  überzeugt mit schnellem kraftvollen Einstig und Refrain, die Drums gehen dabei gewaltig ab. In den langsameren Strophen glänzt vor allem der Bass. Zwischendurch wird mal kurz auf die Bremse getreten. Das Lyric-Video ist mit viel Netta unterlegt, sie spielt Drums, singt, läuft, springt. Kurz vor Album-Veröffentlichung landete das Lyric-Video zu  Those Who Burn  online. Rockt gewaltig, mit einigen Tempowechseln garniert und orchestralen Klängen gewürzt, einem leicht mystischen Zwischenstück, längerem Gitarrensolo, Raubkatze meets Mieze – scharfes Geschoss! Kleine Kritik: Am Ende von beiden Nummern werden jeweils zwei verschiedene kurze Zeilen immer und immer wieder wiederholt, bei  Run  fast eine Minute lang – da steh ich nicht drauf.


Am Release-Tag gönnte man uns  Close To Sober  in bewegten Bildern, die dank der eingesetzten Farben eine besondere Stimmung zaubern. Der Anfang ist sehr gefühlvoll, auch die Strophen sind ruhiger, steigern sich jeweils, hin zu einem fantastischen Refrain. Wieder wurden Chorgesang und Orchesterklänge verbaut, nicht zu laut, nicht zu wuchtig, sie gehen sehr angenehm ins Ohr und sorgen für einen emotionalen Abschluss des Songs.


Das Album  20/20  enthält weitere vier bislang cliplose Lieder:  Hey Motherfuckers rockt in mittlerem Tempo knackig aus den Boxen, der Bass setzt vor allem in den Strophen Highlights, feines Gitarrensolo. Mit  Troublemaker  folgt der schnellste Track des Albums, präsente Drums und der Bass jagen den Rhythmus gnadenlos nach vorne, großartiger Instrumentalpart, den ein Gitarrensolo krönt. Hat einen dreckig-punkigen Flair, den Netta Laurenne mit ihrer Röhre noch verstärkt. Danach haben wir ein  Date With The Devil.  Die Nummer beginnt langsam, nimmt immer mehr Fahrt auf, die Drums geben höllisch Gummi, der wummernde Bass klingt klasse, Gitarre und Keyboard flippen kurz gemeinsam aus. Mit dem Rausschmeißer bekommen Herz und Seele ein weiteres Mal Futter.  Wind And Water  liefert über fünf Minuten Laufzeit, ein wunderschöner Song, bei dem Netta Laurenne eindringlich ihre intensive, gefühlvolle Seite demonstriert. Auch die Herren an den Instrumenten haben genug Raum, ihr Können nochmals ausgiebig unter Beweis zu stellen, plus Chor und Orchesterklängen – das volle Programm.


Anspieltipps: The Game  -   Drive It Like You Stole It  -  Wall Of Silence


Ein mitreißendes, abwechslungsreiches Debüt mit kleinem Schönheitsfehler. Netta Laurennes Stimme ist bemerkenswert und vielseitig, ihre talentierten Mannen glänzen. Zusammen sind sie  Smackbound  –  eine Band, die mir die konzertlosen Covid-Zeiten versüßen konnte und bei denen ich mich jetzt schon auf den Nachfolger freue. Für  20/20  gibt es von mir>
 

Bewertung:

  6 von 7 Ankhs

Marion Ney / Sarkophag Rocks
20.06.2020
 

Foto: ©2019 by Ville Juurikkala
 

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