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Gasmac Gilmore
Begnadet für das Schöne
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Tracklist:
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01. Fantastisch
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3:20
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02. So schön
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3:04
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03. Hier kommt die Braut
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3:12
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04. Schokolade
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4:17
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05. Valerie
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3:03
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06. Es geht mir nicht so gut
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4:31
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07. Pistole im Mund
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2:24
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08. Manchmal
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4:20
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09. Lieb dich, Baby
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3:14
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10. Ich trage nicht Krawatte
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3:26
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Release: 28.04.2017
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Label: SoundToPeople
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Format: Jewel-Case
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Als mir News zu Gasmac Gilmore ins Postfach segelten, war das absolutes Neuland für mich. Obwohl sie schon seit 2002 aktiv sind, kannte ich das Quartett aus Wien bislang nicht. Die Veröffentlichung ihres neues Albums Begnadet für das Schöne wurde für den 28.04.2017 via SoundToPeople angekündigt. Es ist schon ihre fünfte CD, aber die erste rein mit deutschen Texten. Ich verzichtete vorab darauf, mir ältere Songs in englischer Sprache anzuhören und konzentrierte mich auf das aktuelle Werk. Zehn Tracks hatten Sänger/Gitarrist Matthias Wick, Gitarrist Elias Berner, Bassist Victor Ezio Gabriel und Drummer Max Berner geklöppelt... der Blick auf's Cover ließ mich nicht unbedingt auf Standardkost schließen...
Das karolastige Golf-Outfit stach arg ins Auge und brachte Bassist Victor Ezio Gabriel gleich mal einen Platz in der Kategorie „Pullunder des Grauens“ ein. Dort befindet er sich in bester Gesellschaft, nämlich der von Comedian Olaf Schubert und den Jungs von Liquido im unvergesslichen Videoclip zu Narcotic. ;-) Eine erste musikalische Kostprobe gab es mit der Nummer Fantastisch samt dazugehörigem Video. Die Kombi ist fast schon verwirrend, was für eine Mixtur – die Strophen im Ska-Stil, gekoppelt mit einem hart rockenden knurrig geröhrten Refrain, im Clip echtes Golf auf der Minigolfanlage und sich kloppende Wrestler... welch ein kurioser Vorbote des Albums...
Ich sag's mal so: Österreich + Wien + Musik – haut einfach mal alles, was euch dazu spontan einfällt, in die Tonne, denn Gasmac Gilmore halten nichts von Klischees, Grenzen, Normen, Normalem, Gängigem, Einsortierbarem. Bei dieser Band ist alles anders, verrückt, abgedreht, außergewöhnlich, chaotisch, unberechenbar, mega-interessant und hoch kreativ! Fängt beim Pressetext & der Biografie an, trifft ganz extrem bei der Mucke zu, setzt sich bei den Videoclips fort und ich wette, die Live-Shows sprengen auch den üblichen Rahmen. Dieser Eindruck vertiefte sich beim Lesen über Aktionen wie in 2006, als sie in Wien einen U-Bahn-Waggon kaperten und das „1. Wiener U-Bahn-Konzert“ spielten sowie über Gigs auf einem Lastkahn oder in einer Telefonzelle. Der Albumtitel Begnadet für das Schöne - gefunden in der österreichischen Bundeshymne. Ich steh auf Skurriles, Witziges und Irrwitziges, auf Herausforderungen für die Gehörgänge, aber ich muss auch in der Laune dafür sein und die hat man halt nicht jeden Tag. Es dauerte schon ein Momentchen, bis ich mich reingehört hatte...
Jeder Song ist ein originelles Unikat, null Verwechslungsgefahr und die Langeweile hat überhaupt keine Chance. Was da alles zusammengebraut wurde... Ska meets Rock, Metal kollidiert mit Polka, Pop prallt auf Blues, Punk fusioniert mit Folklore. Mal fühlt man den Touch ihrer Heimat, aber auch des Balkans oder der Puszta – es hätte mich nicht gewundert, wenn eine weibliche Stimme „darfst Piri zu mir sagen“ verkündet hätte – mal geistern wir soundtechnisch kurz im Orient, in Frankreich und bei den Griechen umher. Zum guten Schluss verschmelzt alles miteinander zu einem sehr eigenen Style und dieser musikalische Wahnsinn trägt den Namen Gasmac Gilmore.
Die zehn Überraschungseier in Notenform plätten ganz schön. Mit den klasse formulierten Texten bestätigen sie ihre Aussage „ich beherrsche Kommunikation“ aus Fantastisch auf witzig-ironisch-bissig-tiefgründig-clevere Art. Sie schaffen es, damit Kopfkino auszulösen und aktivieren mit der Musik zusätzlich das Tanzbein, beherrschen aber auch die emotionale sanftere Saite. Halb-+Balladen à la Gasmac Gilmore sind schwermütig, machen nachdenklich und berühren, ohne das gesungene Wort dabei unbedingt im klassischen Format zu umhüllen. Zwei Songs dieser Güteklasse sind vertreten, einen findet ihr in meinen Anspieltipps, der andere heißt Es geht mir nicht so gut und zu dem wurde auch ein Video gedreht. Der Einbau von Quetschkommode und Geige passt bestens zu dem ernsteren Text, der in den bewegten Bildern gut umgesetzt wurde. Launehebend wirkt das rosa Hasi gegen Ende des Clips, der mich irgendwie an Harvey von dunnemals erinnerte...
Lieb dich, Baby ist eine völlig unkitschige Liebeserklärung, auf die man keinen Steh-Blues tanzt sondern wild zum Ska-Polka-Punk Mix abgehen kann. Hat sich Baby dann ins weiße Kleid geschmissen, passt Hier kommt die Braut – eine heiße Nummer mit orientalischen Klängen und heftig rumschendem Refrain. Gesanglich grandios vorgetragen, die Stimme von Matthias Wick hat generell was Besonderes, den gewissen Schmäh halt. Valerie punktet mit seinen starken Polka-Einflüssen, groovt gewaltig, auch dank den knackigen Drums und eine Armada an Blasinstrumenten veredelt das Ding. Pistole im Mund ist schnell und wild unterwegs, selbst das Akkordeon kann punkigen Ska... So schön polkat munter drauf los, reißt mit seinem Rhythmus mit, ein derb rockender Abschnitt lässt die Mähne fliegen und eine kurze Gitarrenmelodie parkt sich energisch im Gehörgang ab.
Einen Kritikpunkt hab ich noch zu vermelden: an manchen Stellen überlagert die Musik die Stimme zu dolle, wodurch es schwer ist, den Text zu verstehen. Ok, zudem hätte ich mich über etwas mehr Laufzeit gefreut, ein bis zwei Tracks mehr hätten es sein dürfen.
Anspieltipps:
Ich trage nicht Krawatte – punktet hoch mit seinem charmant-bissigen Text und tollem Aufbau. Beginnt mit sanften Bouzouki-Klängen, aber nach fünf Sekunden jagt die Strophe im Ska/Punk-Stil mit Bläserbegleitung los, dazu ein krachender Refrain samt hammerhartem Zwischenstück – eine herrlich unrunde Nummer.
Manchmal – ist eine Ballade, intensiv, melancholisch, ruhiger, gesanglich großartig. Wird anfänglich vom Akkordeon im Walzer-Takt angeschoben, weitere Instrumente und Bläser kommen dazu und weben einen etwas dickeren Soundteppich, um am Ende wieder leiser zu enden.
Schokolade – ist nicht unbedingt zuckersüß, eher zartbitter, aber heiß, ein bisschen Tango, kurzer Metal-Anfall, eine eher poppige Passage, cooler Text – schmeckt!
Review fertig - dann kann ich jetzt mal in ältere Werke reinhören, wobei die es schwer haben werden, da mir diese komplett deutsche Variante sehr zusagt. Noch schnell die Bewertung: für Begnadet für das Schöne gibt es von mir>
Bewertung:
6 von 7 Ankhs
Marion Ney / Sarkophag Rocks 01.05.2017
Foto: ©2016 by Gasmac Gilmore
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